Erlanger Forscher suchen neuen Wirkstoff gegen Depressionen

Das Bild zeigt die Pflanze Johanniskraut.
Der antidepressive Wirkstoff im Johanniskraut soll weiterentwickelt werden. (Bild: Pimpinellus/Wikimedia Commons)

Johanniskraut liefert Vorlage für Entwicklung wirkungsvoller Arzneimittel

Pharmazeuten der FAU suchen nach neuen Wegen zur Behandlung von Depressionen. Die Vorlage dafür liefert eine bekannte Arzneipflanze: das Johanniskraut, dessen antidepressiver Wirkstoff Hyperforin nun weiterentwickelt werden soll. Das Vorhaben im Rahmen des europäischen Forschungsverbundes „HYPZITRP“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die kommenden drei Jahre mit 184.000 Euro gefördert.

Depressionen gehören zu den wichtigsten chronischen Erkrankungen in entwickelten Industrieländern wie Deutschland. Sie führen zu einer großen Belastung der Patientinnen und Patienten und damit zu einer gravierenden Beeinträchtigung des Berufs- und Alltagslebens. Neben den persönlichen Auswirkungen entstehen durch die Krankheit hohe volkswirtschaftliche Kosten aufgrund von Fehltagen und Frühverrentung. „Trotz intensiver Forschung ist die Entstehung von Depressionen nur teilweise verstanden“, sagt Prof. Dr. Kristina Friedland, Inhaberin der Professur für Molekulare und Klinische Pharmazie an der FAU. „Deshalb gehen unsere Anstrengungen in zwei Richtungen – die Erforschung der molekularen Prozesse im menschlichen Körper und die Entwicklung wirksamer Medikamente.“

Johanniskraut: seit Jahrhunderten angewandt

Seit Jahrhunderten wird Johanniskraut – lat.: Hypericum perforatum – zur Stimmungsaufhellung und Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen angewandt. Der im Johanniskrautextrakt enthaltene Wirkstoff Hyperforin hilft bei der Regulierung von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. „Der entscheidende Ansatz für uns ist, dass die antidepressive Wirkung des Hyperforins auf der Aktivierung eines Ionenkanals, des TRPC6-Kanals, beruht – im Unterschied zu den Medikamenten, die sich aktuell auf dem Markt befinden“, erklärt Kristina Friedland. „Leider ist der natürliche Extrakt nicht so potent, dass er auch bei starken Depressionen erfolgreich eingesetzt werden kann. Außerdem löst Hyperforin die Bildung des Enzyms CYP3A4 aus, einem wichtigen Bestandteil der Verstoffwechslung. Dies kann zu problematischen Arzneimittelinteraktionen führen. Und es ist instabil, wenn man es aus dem Extrakt isoliert.“

Die Erlanger Pharmazeuten haben deshalb ein ehrgeiziges Ziel: Sie wollen sogenannte Hyperforin-Analoga entwickeln und testen – chemisch hergestellte Wirkstoffe, die sich an der Struktur des Hyperforins orientieren. Kristina Friedland: „Wir suchen Derivate, die deutlich stabiler und wirksamer sind als der natürliche Wirkstoff des Johanniskrauts und zudem weniger mit anderen Arzneimitteln interagieren.“ Für die Entwicklung einer solchen Leitstruktur in den kommenden drei Jahren stellt das BMBF der Erlanger Forschergruppe 184.000 Euro Forschungsmittel zur Verfügung. Die Wirksamkeit der Hyperforin-Analoga soll unter anderem an Zellmodellen und im Tierversuch getestet werden.

Forschungsverbund: molekulare Prozesse verstehen

Im transnationalen Forschungsverbund HYPZITRP – HYP steht für Hyperforin, ZI für Zink und TRP für TRPC6-Kanäle – arbeiten die Wissenschaftler nicht nur an der Entwicklung von Antidepressiva, sondern auch daran, die molekularen Mechanismen und die krankheitsbedingt veränderte Kommunikation von Nervenzellen im Gehirn zu verstehen. So erforscht eine Arbeitsgruppe am CEA in Grenoble (Frankreich) die Rolle von Zink: Unter Depressionen Leidende haben nachweislich weniger Zink in ihren Zellen als gesunde Menschen. Eine Forschergruppe an der Universität Krakau (Polen) untersucht indes die Wirkung der Hyperforin-Analoga im Tiermodell auf TRPC6-Kanäle – durch diese Ionenkanäle werden Nervenzellen aktiviert und neurologische Reaktionen ausgelöst. Kristina Friedland: „Über die Pathophysiologie der Depression wissen wir im Augenblick zu wenig. Aber dieses Verständnis ist wichtig für die Entwicklung stabiler, hochwirksamer und nebenwirkungsfreier Medikamente.“

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gegründet 1743, ist mit über 38.000 Studierenden, 653 Professuren und rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der größten Universitäten in Deutschland – und, wie aktuelle Erhebungen zeigen, eine der erfolgreichsten und forschungsstärksten. So liegt die FAU beispielsweise im aktuellen Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Platz 10 und gehört damit in die Liga der deutschen Spitzenuniversitäten. Neben dem Exzellenzcluster „Engineering of Advanced Materials“ (EAM) und der im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichteten Graduiertenschule „School of Advanced Optical Technologies“ (SAOT) werden an der FAU derzeit über 30 koordinierte Programme von der DFG gefördert

Die Friedrich-Alexander-Universität bietet rund 240 Studiengänge an, darunter fünf Bayerische Elite-Master-Studiengänge und über 32 mit dezidiert internationaler Ausrichtung. Keine andere Universität in Deutschland kann auf ein derart breit gefächertes und interdisziplinäres Studienangebot auf allen Qualifikationsstufen verweisen. Durch über 500 Hochschulpartnerschaften in mehr als 70 Ländern steht den Studierenden der FAU schon während des Studiums die ganze Welt offen.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Kristina Friedland
Tel.: 09131/85-29550
kristina.friedland@fau.de