Meilensteine der Nuklearpolitik und Strahlensicherheit: Ausstellung im Siemens MedMuseum ab 12. Juni 2025

Ausgelöst durch Nuklearunfälle, haben in den 1960er Jahren Wissenschaftler, Anwälte und Politiker rechtliche Grundlagen im Zusammenhang mit Strahlenschutz erarbeitet. (Bild: National Chernobyl Museum Archives)
Ausgelöst durch Nuklearunfälle, haben in den 1960er Jahren Wissenschaftler, Anwälte und Politiker rechtliche Grundlagen im Zusammenhang mit Strahlenschutz erarbeitet. (Bild: National Chernobyl Museum Archives)

Die Verwendung radioaktiver Strahlung hat eine lange Geschichte mit Anwendungsbereichen in der Medizin, Forschung, Industrie oder Militär. Seit ihrer Entdeckung war die Toxizität der Strahlung aber nicht immer bekannt. Deshalb braucht es Richtlinien, wenn mit Radioaktivität gearbeitet wird. Welche historische Rolle die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bei der Festlegung von Strahlungsnormen spielte und heute weiterhin spielt, erzählen Prof. Dr. Maria Rentetzi und ihr Team vom Lehrstuhl für Science, Technology and Gender Studies an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in einer Ausstellung. Die Ausstellung „Living with Radiation“ basiert auf einem Forschungsprojekt, welches vom Europäischen Forschungsrat (ERC) als Consolidator Grant mit zwei Millionen Euro gefördert wurde.

Wissenschaftsdiplomatie verbindet unterschiedliche Wissenschaften

Nach der Entdeckung der Radioaktivität durch Henri Becquerel 1896 wurde lange Zeit ohne ausreichende und einheitliche Schutzmaßnahmen an ihr geforscht. Insbesondere nach dem Atombomben-Einsatz in Hiroshima und Nagasaki waren daher diplomatische Gespräche auf internationaler Ebene für standardisierte Schutz-Richtlinien notwendig. Diese Verhandlungen hat die IAEA angeführt – mit dem Ziel die Verwendung von Nuklearwaffen zu vermeiden und den allgemeinen Einsatz von nuklearer Energie zu kontrollieren. Die IAEA berichtet regelmäßig in der UN-Generalversammlung über aktuelle Atomenergie-Entwicklungen.

Weil die Frage, wie man sich vor radioaktiver Strahlung schützen kann, bislang vor allem als rein technische Frage behandelt wurde, haben Rentetzi und ihr Team das Thema vor allem aus einem gesellschaftlichen Blickwinkel betrachtet und Meilensteine der Nuklearpolitik für die Ausstellung „Living with Radiation“ aufbereitet.

Erste Einigungen bei der Nutzung radioaktiver Strahlung

Die schwedische Forschungsgruppe um Rolf M. Sievert (hinten links) und Gösta Forssell (hinten Mitte) führten diplomatischen Verhandlungen um neue wissenschaftliche Strahlen-Standards an. (Bild: unbekannt)
Die schwedische Forschungsgruppe um Rolf M. Sievert (hinten links) und Gösta Forssell (hinten Mitte) führten diplomatischen Verhandlungen um neue wissenschaftliche Strahlen-Standards an. (Bild: unbekannt)

Erste wegweisende Bemühungen im Strahlenschutz hat die radiologische Abteilung des Radiumhemmet-Instituts in Stockholm in den 1920er Jahren angeführt und wichtige Akteure aus der Politik und der Wissenschaft einberufen. Der Grund: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten international gültige Standards formulieren. Final beschlossen wurden diese Richtlinien zum Schutz vor radioaktiver Strahlung auf der ersten internationalen Radiologie-Konferenz 1925 in London.

Ein historisch prägendes Ereignis für Maria Rentetzi und ihr Team im Zusammenhang mit einer generellen Regulierung der Kernenergie war außerdem die Gründung der IAEA im Jahr 1957. Denn als am 26. Oktober 1956 in New York die Satzung der IAEA von UN-Mitgliedern unterzeichnet wurde, waren unter anderem auch Vertreter der Vereinigten Staaten als auch der Sowjetunion anwesend – ein seltener Moment der Zusammenarbeit der beiden Kontrahenten in der Zeit des Kalten Krieges.

Zwei Labor-Busse fahren um die Welt

Wie bestimmend das Thema Radioaktivität während des Kalten Krieges war, berichtet Maria Rentetzi auch anhand eines weiteren Ereignisses. 1958 schenkte die USA der IAEA nämlich zwei mobile Laboratorien, die in umfunktionierte Linienbusse eingebaut wurden, und versuchte dadurch, die neu gegründete IAEA durch technische Hilfe und Präsente zu dominieren. Die mobilen Laboratorien reisten um die Welt, um junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Radioisotopenforschung auszubilden. Ein Ziel dieser mobilen Labore war es auch, während des Kalten Krieges diplomatische Beziehungen zwischen den Ländern herzustellen.

Ausstellung „Living with Radiation“

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden vom 12. Juni bis 31. August im Siemens MedMuseum als Bilderrundgang in der Ausstellung „Living with Radiation“ ausgestellt. Unter der Leitung von Prof. Rentetzi und Forschungsassistentin Kristina Ford hat das Team zahlreiche Bilder aus Archiven der ganzen Welt gesammelt, unter anderem von der IAEA. Die Ausstellung rückt in den Vordergrund, dass die Arbeit mit radioaktiver Strahlung historisch gesehen immer umstritten war. Die Bilder der Ausstellung zeichnen die Entwicklung des Strahlenschutzes und der damit verbundenen Technologien nach. Dabei beleuchten sie auch einen oft übersehenen Aspekt – nämlich den Beitrag von Wissenschaftlerinnen in diesem Bereich.


Förderung mit zwei Millionen Euro

Im Rahmen des Innovationsprogramms „Horizont 2020“ der Europäischen Union hat der Europäischen Forschungsrat das Projekt mit knapp zwei Millionen Euro gefördert. Die ERC-Fördermittel wurden vor allem dafür verwendet, um eine Forschungsgruppe am Lehrstuhl für Science, Technology and Gender Studies an der FAU einzurichten, die die Geschichte des Strahlenschutzes in einem sozialen, diplomatischen und politischen Kontext untersucht.


Mehr Informationen:

Prof. Dr. Maria Rentetzi
www.hrp-iaea.org
maria.rentetzi@fau.de