Chemisch „maßgeschneidertes“ Wundermaterial Graphen

Ausschnitt aus dem Graphennetzwerk mit chemisch gebundenem Wasserstoffatom: Die spektrale Schwingungssignatur der einzelnen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen in direkter Nachbarschaft zum gebundenen Wasserstoffatom sind farbig gekennzeichnet. (Bild: Frank Hauke)
Ausschnitt aus dem Graphennetzwerk mit chemisch gebundenem Wasserstoffatom: Die spektrale Schwingungssignatur der einzelnen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen in direkter Nachbarschaft zum gebundenen Wasserstoffatom sind farbig gekennzeichnet. (Bild: Frank Hauke)

Chemisch „maßgeschneidertes“ Wundermaterial Graphen

Graphen gilt als eines der vielversprechendsten neuen Materialien. Das systematische Einbringen von chemisch gebundenen Atomen und Molekülen zur Kontrolle seiner Eigenschaften ist jedoch nach wie vor eine große Herausforderung. Wissenschaftlern der FAU vom Lehrstuhl für Organische Chemie II sowie der Universität Wien, der Freien Universität Berlin und der Universität Yachay Tech in Ecuador ist es nun erstmals gelungen, den spektralen Fingerabdruck solcher Verbindungen experimentell und theoretisch präzise zu verifizieren. Ihre Ergebnisse haben sie in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins „Nature Communications“ veröffentlicht.*

Zweidimensionales Graphen besteht aus einer einzelnen Schicht von Kohlenstoffatomen. Es leitet besonders gut Elektrizität sowie Wärme, ist durchsichtig und dabei gleichzeitig biegsam und fest. Außerdem lässt sich zum Beispiel durch das Einbringen von chemisch gebundenen Atomen und Molekülen in die Graphenstruktur – so genannte Funktionszentren – die elektrische Leitfähigkeit zwischen einem Metall und einem Halbleiter kontinuierlich verändern. Durch diese besonderen Eigenschaften bietet Graphen eine Vielzahl an künftigen Anwendungsmöglichkeiten, wie beispielsweise in der Optoelektronik oder für ultraschnelle Bauelemente in der Halbleiterindustrie. Der Einsatz von Graphen in der Halbleiterindustrie kann nur gelingen, wenn Eigenschaften wie Leitfähigkeit, Größe und Störung der Struktur durch die Funktionszentren bereits während der Synthese von Graphen festgelegt werden können.

In einer internationalen Kooperation um Prof. Dr. Andreas Hirsch, Lehrstuhl für Organische Chemie II, Prof. Dr. Thomas Pichler, Universität Wien, Prof. Dr. Stephanie Reich, Freie Universität Berlin, und Prof. Dr. Julio Chacon-Torres, Yachay Tech University, ist es den Forschern mit einem neu entwickelten Versuchsaufbau ein entscheidender Durchbruch gelungen: Über Lichtstreuung haben sie erstmals Schwingungsspektren als spezifischen Fingerabdruck von stufenweise chemisch modifiziertem Graphen identifiziert. Diese so gewonnene und theoretisch bestätigte spektrale Signatur ermöglicht es zukünftig, sowohl die Art als auch die Anzahl der Funktionszentren schnell und präzise zu bestimmen. Unter den verwendeten Reaktionen wurde zum Beispiel Wasserstoff an Graphen chemisch gebunden. Dies erfolgte über eine kontrollierte chemische Reaktion von Verbindungen, in denen Ionen in den Kohlenstoff Graphit eingelagert sind, mit Wasser.

„Diese Methode der in situ Ramanspektroskopie ist eine sehr effektive Möglichkeit, mit der schon während der Materialherstellung schnell, kontaktfrei und großflächig die Funktion von Graphen kontrolliert werden kann“, sagt Julio Chacon, einer der zwei Hauptautoren der Studie. Dadurch wird es möglich, maßgeschneiderte Materialien mit kontrollierten elektrischen Transporteigenschaften zu erhalten und für die Anwendung in der Halbleiterindustrie zu nutzen.

* doi: 10.1038/ncomms15192 (2017)

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