Wie flüssig sind Zellen?

Das Foto zeigt einen Experimentaufbau im Labor der Biophysik. Man sieht eine Hand in einem Handschuh steckend, die eine Probe an einem Gerät untersucht. In einer Nahaufnahme sieht man links oben das Ergebnis.
Foto: Richard Gerum

Eine Zelle muss ein perfektes Verhältnis aus Elastizität und Zähflüssigkeit aufweisen, um gut zu arbeiten. Ein internationales Forschungsteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Lehrstuhls für Biophysik der FAU (Prof. Dr. Ben Fabry) haben jetzt einen Weg gefunden, die Zellbeschaffenheit zuverlässig zu messen.

Lebende Zellen im menschlichen Körper verhalten sich weder wie ein elastischer Festkörper noch wie eine viskose Flüssigkeit. Stattdessen vereinen sie sowohl elastische als auch zähflüssige Eigenschaften, die als Viskoelastizität bezeichnet werden. Ähnlich wie ein gut gekneteter Teig, der elastisch und gleichzeitig dehnbar sein soll, muss auch eine Zelle sowohl die richtige Elastizität als auch Viskosität haben, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Stimmt dieser Mix nicht – kombiniert sie etwa eine ungewöhnlich hohe Elastizität mit einer niedrigen Viskosität – ist das häufig ein Anzeichen für Zellstress oder den drohenden Zelltod. Solche Signale sind für die frühe Diagnose von Erkrankungen wichtig sein, sie können etwa helfen, Entzündungen oder Infektionen frühzeitig zu entdecken.

Die Messung von Elastizität und Viskosität ist jedoch schwierig, da beide Eigenschaften von der Zeitskala der Messungen abhängen: Werden Zellen im Experiment langsam deformiert, erscheinen sie weich und flüssig, werden sie jedoch schnell deformiert, erscheinen sie hart und zäh. Ein Team von Forschenden aus Deutschland, Frankreich und Kanada hat nun gezeigt, dass das Verhältnis zwischen den elastischen und viskosen Eigenschaften der Zelle, das sie als Fluidität bezeichneten, über einen großen Bereich von Zeitskalen konstant bleibt. Diese Eigenschaft ermöglicht es, Daten aus Laboren weltweit zu vergleichen und zu kombinieren, unabhängig von der jeweils verwendeten Messmethode.

Für ihre Entdeckung mischten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Zellen in einer zähflüssigen Alginatlösung und pressten sie mit hohem Druck und hoher Geschwindigkeit durch Kapillaren. Anhand der daraus resultierenden Zellverformungen berechneten sie die Elastizität und Viskosität der Zellen. Dabei nutzten sie aus, dass die verformten Zellen in der Kapillare auch rotierten, ein Verhalten, das erstmals von Albert Einstein in seiner Doktorarbeit untersucht wurde. Indem sie die Rotationsgeschwindigkeit veränderten, waren die Forschenden in der Lage, die Zellen auf verschiedenen Zeitskalen zu verformen. Die Methode könnte etwa in der Diagnostik Anwendung finden, um Anzeichen für ein abnormales mechanisches Verhalten von Zellen und damit Krankheiten wie Infektionen oder Entzündungen früh zu erkennen.

Publikation

Link zur Original-Publikation: https://doi.org/10.7554/eLife.78823

Kontakt:

Dr. Richard Gerum
York University, Toronto
richard.gerum@fau.de

Prof. Dr. Ben Fabry
Lehrstuhl für Biophysik der FAU
ben.fabry@fau.de