Reflektieren ohne zu spiegeln

FAU-Physiker Prof. Dr. Kai Phillip Schmidt (rechts) und MPL-Forscher Dr. Claudiu Genes (links) (Fotos v.l.: FAU/Anna Thiessen; Stephan Spangenberg)
FAU-Physiker Prof. Dr. Kai Phillip Schmidt (rechts) und MPL-Forscher Dr. Claudiu Genes (links) (Fotos v.l.: FAU/Anna Thiessen; Stephan Spangenberg)

Physiker des MPL und der FAU entwickeln neuartiges Konzept zur Detektion chiraler Moleküle

Anders als an herkömmlichen Spiegeln kann Licht an sogenannten Metaoberflächen reflektiert werden, ohne seine Polarisation zu ändern. Das haben Physiker der FAU und des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts (MPL) nachgewiesen. Damit kann zirkulierendes Licht genutzt werden, um chirale Moleküle zuverlässig zu detektieren. Ihre Entdeckung haben die Forscher im renommierten Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht.

In der Natur treten Moleküle häufig chiral auf. Diese sogenannten Enantiomere sind spiegelbildliche Zwillinge – so wie die linke und die rechte Hand des Menschen. „Meistens haben Enantiomere dieselbe Funktionalität“, sagt Dr. Michael Reitz, der 2023 in der von Dr. Claudiu Genes am MPL geleiteten Forschungsgruppe promovierte. „Allerdings können sie auch völlig unterschiedlich wirken, insbesondere wenn sie auf andere chirale Moleküle treffen.“ Das hat beispielsweise gravierende Auswirkungen in der Pharmakologie: Während ein Zwilling eine Krankheit heilen kann, schädigt der andere unter Umständen den Organismus.

Nicht nur in der pharmakologischen Forschung ist es daher von großem Interesse, chirale Moleküle sehr genau nachzuweisen und zu unterscheiden. Ein idealer Kandidat dafür ist Licht, weil Photonen selbst chiral sein können. „Man kann Licht als Spirale in Korkenzieherform erzeugen“, erklärt Nico Bassler, gemeinsamer Doktorand von Claudiu Genes, Leiter der unabhängigen Forschungsgruppe „Cooperative Quantum Phenomena“ am MPL und Prof. Dr. Kai Phillip Schmidt, Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik V an der FAU. „Je nachdem, welche Drehrichtung die Spirale besitzt, interagiert sie entweder mit dem links- oder mit dem rechtshändigen Enantiomer.“ Um diese Interaktion zu maximieren, muss das Lichtfeld jedoch räumlich begrenzt werden, indem es zum Beispiel zwischen zwei Spiegeln zirkuliert. Das Problem dabei: Wird Licht an einem herkömmlichen Spiegel reflektiert, ändert es seine Polarisation – die Spirale windet sich dann in die entgegengesetzte Richtung und würde mit dem „falschen“ Enantiomer wechselwirken.

Chiraler optischer Resonator: Bei der Reflexion behält rechtspolarisiertes Licht seinen Polarisationszustand bei, genau wie die rechte Hand im Bild eine rechte Hand bleibt. (Grafik: Alexandra Genes, Genes Design)
Chiraler optischer Resonator: Bei der Reflexion behält rechtspolarisiertes Licht seinen Polarisationszustand bei, genau wie die rechte Hand im Bild eine rechte Hand bleibt. (Grafik: Alexandra Genes, Genes Design)

Doppelte Atomlagen wirken als Spiegel

Die Physiker der FAU und des MPL haben dieses Problem mit einem neuartigen Konzept gelöst: Statt herkömmlicher Spiegel verwenden sie sogenannte Metaoberflächen, die aus atomaren Doppelschichten bestehen. „Wir kombinieren zwei einlagige Atomgitter, die jeweils elektrische Dipolmomente besitzen“, erklärt Claudiu Genes. „Dipolmomente kann man als Ladungsrichtung entlang einer Achse verstehen.“ Entscheidend für die Funktionalität der Metaoberflächen ist nun, die Ladungsrichtung der Atomgitter um 90 Grad versetzt, also orthogonal zueinander, auszurichten. Schmidt: „Durch diesen quantenphysikalischen Kniff werden die Photonen zwar reflektiert, behalten jedoch ihre Polarisation.“

Das ermöglicht eine völlig neuartige chirale Sensorik: Eingeschlossen zwischen zwei Metaoberflächen auf engstem Raum, kann zirkulierendes Licht chirale Moleküle zuverlässig und mit extrem hoher Sensitivität detektieren. Die Forscher erwarten, dass Stoffe mit relevanten Funktionalitäten insbesondere in der Biochemie und Pharmazie bald deutlich schneller entwickelt werden können als bisher.

Projekt vereint Festkörperphysik und Quantenoptik

Die Arbeit entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs TRR306 QuCoLiMa (Quantum Cooperativity of Light and Matter). Dabei handelt sich um eine Kooperation zwischen den Forschungsteams von Prof. Dr. Kai Phillip Schmidt an der FAU und Dr. Claudiu Genes am MPL, in der die Expertise aus der Festkörperphysik und der Quantenoptik erfolgreich zusammengebracht wurde. Das Projekt wurde von dem gemeinsamen Doktoranden Nico Bassler durchgeführt und von Dr. Michael Reitz betreut, der 2023 in der Genes-Forschungsgruppe promovierte und derzeit ein Postdoc-Stipendium an der University of California San Diego wahrnimmt. Maßgeblich beteiligt war auch Dr. Andrea Aiello, Experte für die Chiralität des Lichts am MPL.

Weitere Informationen

DOI: 10.1103/PhysRevLett.132.043602 „Metasurface-based hybrid optical cavities for chiral sensing“

Prof. Dr. Kai Phillip Schmidt
Lehrstuhl für Theoretische Physik an der FAU
kai.phillip.schmidt@fau.de

Dr. Claudiu Genes
Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts
claudiu.genes@mpl.mpg.de